Als Typ-1-Diabetiker zu Olympia! Timur Oruz hat seinen Traum 2016 erfüllt und bei den olympischen Spielen von Rio de Janeiro mit dem deutschen Hockey-Team die Bronzemedaille im Spiel gegen die Niederlande geholt. Wie Timur das gerockt hat, welchen Herausforderungen er sich mit Diabetes im Gepäck stellen musste, welche Therapieform er bevorzugt und vieles mehr verrät er uns in einem Interview, das wir kürzlich mit ihm führen durften.
Interview mit Timur Oruz (Olympia-Dritter im Hockey)
Timur, du bevorzugst die ICT-Therapie. Würde eine Insulinpumpe nicht vieles einfacher machen, da man damit die Basalrate temporär für den Sport absenken und viel feiner anpassen kann?
Ich fahre mit der ICT-Therapie sehr gut und habe kein „Ding“ an mir, dass ich ständig „an- und abklemmen“ muss. Während des Spiels würde mich die Insulinpumpe nur stören. Letztendlich hantiere ich mit dem Pen ähnlich wie mit einer Insulinpumpe. Ich steuere viel über Bolus-Insulin und spritze, insbesondere an Trainingstagen, nur sehr wenig Basal-Insulin.
Nutzt du ein CGMS/Libre oder misst du deinen Blutzucker ganz klassisch?
Ich persönlich bevorzuge das FreeStyle libre. Bei einem CGMS stört mich, dass regelmäßiges Kalibrieren notwendig ist. Auf klassische Blutzuckermessung verzichte ich weitestgehend. Es kommt sehr selten vor, dass ich noch mal blutig messe.
Was hat sich mit der Diagnose Diabetes (2001) bei dir verändert? Wie war das für dich und für deine Eltern?
Mein Training lief normal weiter. Ich habe das Glück, dass meine Mutter Kinderärztin ist und somit schon viel über Diabetes wusste. Sie hat sich mit meiner Diagnose zu meiner persönlichen Diabetologin, zur Diabetes-Expertin weiterentwickelt. Das hatte viele Vorteile für mich.
Hat der Diabetes dich an deiner (Sport-)Kariere jemals zweifeln lassen? Oder hat er dich vielleicht sogar stärker, disziplinierter werden lassen?
Es gibt da so ein Schlüsselerlebnis: Wir haben damals einen Ausflug mit der Hockeymannschaft in den Zoo gemacht. Dort gab es diese Cola-Gummibärchen-Schlangen. Meine Mutter legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: „Nein, die darfst du nicht“. All meine Freunde haben es sich schmecken lassen, nur ich durfte nicht. Das war ein prägnanter, brutaler, harter Moment, der mir klargemacht hat: Ich will mich vom Diabetes nicht einschränken lassen.
Daran bin ich gewachsen, der Diabetes hat mich nie mehr an etwas gehindert. Ich denke, ich bin schneller erwachsener bzw. selbstständiger geworden, als ich es ohne Diabetes geworden wäre. Das lässt sich allerdings schwer sagen, das kann ich nur vermuten.
Was waren für dich die größten Herausforderungen mit Diabetes an den Olympischen Spielen teilzunehmen?
Da kommt viel zusammen. Es ist eben ein anderes Land, was bedeutet: anderes Essen. Man weiß ja nicht, wie dort etwa der Kartoffelbrei zubereitet wird, ob der wirklich aus Kartoffeln gekocht wurde 😉 und wie viel BE man dafür nun berechnen sollte.
Generell herrschen wieder ganz andere Bedingungen, anderes Klima, andere Trainings- und Essenszeiten, zudem die Hormone, die Aufregung… All das wirkt sich auf den Blutzucker aus. Mit FreeStyle Libre und CGM ist das heutzutage zum Glück einfacher, und besser handlebar.
Mit welchem Wert startest du ein Turnier? Und hast du die Möglichkeit während eines Turniers deinen Blutzucker zu messen?
Ich habe keinen Fix-Wert mit dem ich ein Turnier angehe. Ich mache das davon abhängig, wie der Tag verlief, und welche Bedingungen vorlagen bzw. vorliegen: War der Blutzucker im Laufe des Tages stabil? Habe ich bereits vorsorglich weniger Bolus für das Essen vorm Turnier gespritzt? Falls dies der Fall war, starte ich gerne mit einem 120er Wert. Damit bin ich sehr leistungsfähig. Ungern starte ich mit über 200 mg/dl. Ich korrigiere meine Blutzuckerwerte auch mal während des Spiels.
„Interchanging“ (Auswechslung eines oder mehrerer aktiver Spieler mittels Einwechslung eines Ersatzspielers) macht es mir möglich auch während des Spiels meine Werte zu kontrollieren und zu korrigieren.
Insulin steht auf der Dopingliste…Steht man als Typ-1-Diabetiker im Profi-Sport stärker unter „Beobachtung“?
Ich brauche eine Ausnahmegenehmigung, ein ärztliches Attest, dass mir bescheinigt, dass ich auf Insulin angewiesen bin. Dies gilt lebenslänglich. Die NADA (Nationale Anti Doping Agentur) ist über meinen Diabetes Typ 1 informiert und kontrolliert mich nicht öfter als andere Profi-Sportler.
Was sind deine Pläne/Ziele?
Das Medizinstudium hat für mich Prio 1 und sportlich möchte ich alles mitnehmen, was geht.
Vielen Dank für das spannende Interview! Für deine weitere Karriere, sportlich und beruflich wünschen wir dir weiterhin so viel Erfolg!
Mehr über Timur und seine sportlichen Erfolge erfahrt ihr auf seiner Homepage, auf Instagram oder Facebook.