Was sind eigentlich diese AID-Systeme (Automatisierte Insulin-Dosierung) von denen die Diabeteswelt spricht? So was wie ein Closed-Loop-System? Ein bionisches Pankreas, ein geschlossenes Insulinverabreichungssystem, eine automatisierte basale Insulindosierung oder sind das ambulante Pankreasgeräte bzw. künstliche Bauchspeicheldrüsen, die nun immer mehr Typ-1-Diabetiker nutzen?
Es werden so viele verschiedene Begrifflichkeiten in diesem Kontext verwendet, dass das Ganze ziemlich konfus erscheint. Einige Bezeichnungen dieser Systeme sind etwa aus Marketinggründen entstanden, andere aus Unwissenheit. Von „künstlicher Bauchspeicheldrüse“ sollte man beispielsweise besser nicht sprechen, das ist doch zu weit hergeholt. Einen vollständigen Pankreasersatz benötigen wir als Typ-1-Diabetiker auch gar nicht ;): Lediglich die Sekretion von Insulin und Glukagon im Verhältnis zur Glukosekonzentration darf bitte gerne wieder vollständig funktionieren, nicht wahr? Nun, und genau dabei können uns diese AID-Systeme unterstützen (gleich mehr dazu), mehr Lebensqualität schenken, wenn gleich wir auch weiterhin selber mitdenken und agieren müssen und wir auch noch lange nicht von einer „technischen Heilung“ sprechen können.
Terminologie
Die amerikanische Gesundheitsbehörde (FDA) spricht von „Automatisierter Insulin-Dosierung“, kurz AID-Systemen. Dieser Begriff beschreibt diese Systeme am besten, denn auch wenn sich die Systeme im Einzelnen unterscheiden, ist ihnen allen die automatisierte Insulinabgabe gemeinsam. Wir sollten uns auf diesen Begriff einigen, damit nicht jeder andere Vorstellungen und Ziele mit diesen Systemen verbindet und um Missverständnissen entgegen zu wirken. Während die Closed-Loop und AID heutzutage nahezu das gleiche meinen, wird in der Praxis das „Loopen“ in der Regel auf die selbst gebauten Systeme bezogen, während AID sich vor allem auf die zugelassenen, meist kommerziellen Systeme bezieht.
Was sind nun aber AID-Systeme und was leisten sie?
Unter einem AID-System versteht man ein Medizinprodukt, das ein rtCGM-Systems mit einer Insulinpumpe kombiniert, die durch einen Algorithmus gesteuert werden. Der Algorithmus ist auf einem Smartphone, Handheld, CGM-System oder der Insulinpumpe implementiert und sorgt dafür, dass die Insulinpumpe so viel Insulin abgibt, dass die Glukosekonzentration mehr oder weniger konstant bleibt, sprich unsere Blutzuckerwerte im Zielbereich bleiben. Den derzeitig bereits erhältlichen AID-Systemen auf dem Markt liegen zwei Ansätze zu Grunde: Entweder handelt es sich um ein komplettes System eines Herstellers (z.B. MiniMed 670G) oder um eine interoperable Lösung: Hier werden drei Systeme kombiniert, die einzeln offiziell unabhängig voneinander vertrieben werden. Beispiel ist hier die Insulinpumpe DANA RS in Kombination mit dem Dexcom G6 CGM und der App CamAPS FX (wir berichteten).
Allerdings sei angemerkt, dass die aktuellen Systeme zur Automatisierten Insulin-Dosierung (AID) ausschließlich den nahrungsunabhängigen Insulinbedarf abdecken (man spricht deshalb auch von Hybrid-AID-Systemen oder Hybrid-Closed-Loop-Systemen). Für den Insulinbedarf zu den Mahlzeiten, im Sport oder auch in besonderen Situationen sind wir als Mensch gefragt.
Mittlerweile gibt es sehr viele mathematische Ansätze (= Algorithmen) zur Berechnung der optimalen Insulindosis unter Berücksichtigung all der Faktoren, die Auswirkungen auf den Blutzucker haben, beispielweise wann war die letzte Mahlzeit, wie viel Insulin ist aktiv, wie hoch ist der aktuelle Glukosewert etc. Viele AID-Ansätze arbeiten beispielsweise mit „Mikro-Boli“, mit denen ein optimales Glukosemanagement erzielt werden konnte. Die Algorithmen sind sehr komplex, unterliegen vielen Sicherheitschecks und werden stetig weiterentwickelt.
Für die Zulassung von Medizinprodukten ist es wichtig, sich auf einen bestimmten Algorithmus festzulegen. Menschen mit Diabetes, die sich ihre AID-Systeme selbst bauen, können hingegen selbst permanent den Algorithmus individuell anpassen und optimieren. Wir hatten berichtet.
Welche AID-Systeme gibt es?
Die amerikanische Patientenorganisation Juvenile Diabetes Research Foundation (JDRF) hat vor geraumer Zeit ein sechsstufiges Entwicklungskonzept vorgestellt, einige der Systeme, wie die Medtronic 640G und die 670G oder auch CamAPS FX sind bereits in Deutschland verfügbar.
Bei den Hybrid-AID-Systemen sind wir also bereits angekommen. Die vollständig geschlossenen AID-Systeme, die auch den Insulinbedarf bei Mahlzeiten abdecken, sind zumindest laut Entwicklungsprozess schon weit fortgeschritten. Weiterhin sind bereits einige bihormonelle AID-Systeme in Entwicklung, die neben Insulin auch Glukagon bei Bedarf automatisiert „zu- und abschalten“. Aber hier werden wir uns sicherlich noch etwas gedulden müssen. Die Entwicklung gestaltet sich als recht komplex und ist sehr kostspielig.
Wir warten gespannt, denn eins ist sicher, sie helfen uns ungemein, sind eine große Entlastung im Alltag, auch psychisch und für die Angehörigen. Ich (Steff) hatte bereits berichtet, wie mein DIY-Hybrid-AID-System mir neue Lebensqualität geschenkt hat 🙂. Aber gleichgültig, ob kommerzielles oder DIY-AID-System: „Loop anschalten oder App runterladen und loslegen“ funktioniert nicht. Damit ist es nicht getan: Ein gutes Diabetesmanagement, Interesse, informiert und up-to-date bleiben, Verständnis für das, was man tut ist Voraussetzung. Die Diabetes-Teams, die Diabetologen müssen fortgebildet werden, denn wir benötigen sie nun gar dringender als je zuvor.
Quellen: https://www.diabetes-technologie.de/bericht-ein-system-zur-automatisierten-insulin-dosierung-aid-was-ist-das/ , eigene Recherche