Ein sonniger Samstagmorgen: In gemütlicher Runde sitzen wir – meine Eltern haben meinem Freund und mir einen Besuch abgestattet – auf dem Balkon und genießen ein feudales Frühstück. Während wir herzhaft in unsere Brötchen beißen, klingelt es an der Haustür. „Hier ist die Post“, tönt es mir vom anderen Ende der Sprechanlage entgegen. Voller Vorfreude greife ich nach dem Päckchen, das der Briefträger mir reicht. Der Inhalt? Diabee, der weltweit erste Diabetikerbecher, den ich in meiner Funktion als Redakteurin bei Diabetiker.Info auf Herz und Nieren überprüfen darf.
Selbstverständlich siegt an diesem Vormittag meine Neugierde: sogleich befreie ich das Behältnis aus seiner Verpackung und nehme es eingehend in Augenschein. Auf den ersten Blick irritieren mich die vielen Zahlen, die den Becher zieren. Ich empfinde die Skala durchaus als verwirrend. Außerdem stört es mich etwas, dass Diabee mit Kohlenhydrateinheiten (KE) anstatt Broteinheiten (BE) arbeitet, um die Menge der in Getränken enthaltenen Kohlenhydrate berechnen zu können. Naja, da muss ich eben durch. Konzentriert lese ich die Empfehlungen, die auf der Verpackung abgedruckt sind. Eine ausführliche Bedienungsanleitung ist leider nicht beigefügt. „Schade“, denke ich mir. „Aber als langjährige Typ-1-Diabetikerin, wirst Du das Prinzip des Bechers schnell durchstiegen haben.“
Ich wage die Probe aufs Exempel – mein Freund, meine Eltern und mein Kaffee müssen eben solange warten – und krame aus dem Kühlschrank eine Packung Apfelsaft hervor. Ein zweites Mal lese ich mir die kurze Nutzungsbeschreibung durch. „Angenommen, Sie möchten Apfelsaft mit 1 KE trinken“, steht dort geschrieben. „Anhand der Austauschtabelle auf der Verpackung lesen Sie ab, wie viele Kohlenhydrate in 100 ml Saft enthalten sind und füllen dann den Becher bis zum Messstrich, der dem Wert von 1 KE entspricht.“
Gesagt, getan: Ich studiere die Nährwertangaben auf der Apfelsaftverpackung, obwohl ich eigentlich weiß, dass 100 Milliliter dieser Saftsorte 10,6 Gramm Kohlenhydrate aufweisen. Danach versuche ich erneut, das Zahlengewirr des Diabetikerbechers zu durchsteigen. Endlich – nach einer gefühlten Ewigkeit – entdecke ich unter der Angabe 1 KE die magische Zahl 10,6. Euphorisch gieße ich Apfelsaft in das Glasgefäß – bis zum entsprechenden Messstrich, versteht sich. Da ich eine „Hundertprozentige“ bin, schütte ich im Anschluss den Apfelsaft, um absolut auf Nummer sicher zu gehen, in einen Messbecher. Erster Versuch geglückt, die Flüssigkeit pendelt sich bei exakt 100 Millilitern ein.
„Ein wenig umständlich ist das ganze Prinzip schon“, sinniere ich, während ich meinen Tupper-Messbecher in den Händen halte. „Eigentlich wäre es schneller gegangen, wenn ich 100 Milliliter Apfelsaft in einen handelsüblichen Messbecher gefüllt hätte.“ Kopfschüttelnd geselle ich mich wieder, den Diabetikerbecher im Schlepptau, zu meinem Freund und meinen Eltern auf den Balkon, um ihnen meine neueste Errungenschaft zu präsentieren. Während ich meinen – mittlerweile kalten – Kaffee schlürfe und die Reste meiner Mehrkornsemmel verspeise, widmen sich mein Liebster und meine Mama interessiert besagtem Becher. Ihnen ergeht es ähnlich wie mir: Diabee stellt die gelernte Krankenschwester und den erfahrenen Maschinenbauingenieur vor eine echte Herausforderung.
Nach geraumer Zeit türmen sich diverse Getränkeflaschen auf unserem Frühstückstisch. Besonders ein isotonischer Durstlöscher, der pro 100 Milliliter mit 4,7 Gramm Kohlenhydraten aufwartet, hat es mächtig in sich. Unter 0,5 KE lassen sich lediglich die Zahlen 4,1 (unten links) und 4 (etwas weiter oben rechts) finden. „Auf welche Skala müssen wir uns denn jetzt beziehen“, fragen wir uns. Abermals naht Rettung: meinem Tupper-Messbecher sei Dank. „Diabee ist für ältere Menschen, Kinder und vor allem für Diabetiker, die gerade von einer Unterzuckerung heimgesucht werden und deshalb nicht so richtig auf der Höhe sind, eindeutig ungeeignet“, lautet das vernichtende Urteil meiner Familie. Als ich meinem Papa dann noch den Preis verrate, für den das gute Stück verkauft wird, ist er geschockt. In einem Punkt hält Diabee dann aber wirklich, was er verspricht: Problemlos besteht er den Härtetest in der Geschirrspülmaschine. Applaus! Applaus!! Applaus!!!