Immer mehr Krankenhäuser verkleinern aus Kostengründen ihre Abteilungen für Allgemeine Innere Medizin drastisch. Insbesondere spezialisierte Einrichtungen für Diabetes, Hormon- und Stoffwechselkrankheiten fallen dem Rotstift zum Opfer – zum Schaden der Patienten. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, Hormone und Stoffwechsel (DGE) warnen in einem gemeinsamen Positionspapier vor den Folgen des Abbaus.
Bundesweit mussten in den vergangenen Wochen Kliniken für Innere Medizin Stellen abbauen, Betten reduzieren und diabetologische Abteilungen schließen, wie zuletzt in der Hamburger Asklepios Klinik St. Georg oder den Städtischen Kliniken München. „Damit verlieren beispielsweise Patienten mit Diabetes eine wichtige Anlaufstelle. Sie werden künftig von Kardiologen mit betreut – sogar die Notfälle“, klagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Präsident der DDG. Angesichts einer alternden Bevölkerung mit vielen mehrfach erkrankten, betreuungsintensiven Patienten, wächst der Bedarf an kompetentem Personal in den nächsten Jahren stark an. „Der aktuell vorangetriebene Rückbau internistischer Expertise läuft dieser Entwicklung zuwider und wird einen eklatanten Mangel zutage fördern, den niemand kompensieren kann“, erläutert der Generalsekretär der DGIM, Professor Dr. med. Dr. h. c. Ulrich R. Fölsch.
Außerdem werden durch diese Entwicklungen künftig noch mehr Spezialisten in Diabetologie und Endokrinologie fehlen als bisher schon. Denn: deren Weiterbildung ist in Gefahr: „Viele Kliniken können unter diesen Vorgaben eine Ausbildung mit dem Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie nicht mehr anbieten“, betont Professor Dr. med. Martin Reincke, Präsident der DGE. Die Experten sprechen von einem drohenden Fachärztemangel und Versorgungsengpässen für Menschen mit Diabetes und anderen Stoffwechselerkrankungen.
Die Gründe für die Schließungen sind meist wirtschaftlicher Art: „Kliniken machen mit internistischen, häufig multimorbiden Patienten nicht ausreichend Gewinn“, gibt DGIM-Generalsekretär Professor Fölsch zu bedenken. Das DRG-Entgelt-System – das Abrechnungssystem im Krankenhausbereich des deutschen Gesundheitswesens – vergüte medizinische Leistungen in der Inneren Medizin im Vergleich zu operativen Eingriffen nicht ausreichend, oft nicht kostendeckend. „Ein wichtiger Teil der Arbeit besteht aus konsiliarischer Arbeit, und Gesprächen sowie Schulungsmaßnahmen bei den Patienten – eine Leistung, für die Kliniken praktisch kein Geld erhalten“, kritisiert DDG-Präsident Gallwitz. Auch viele konservative Therapien würden über das DRG-System nicht ausreichend finanziert, mit oft dramatischen Folgen für den Patienten. So ist die Amputation eines diabetischen Fußes für die Klinik häufig lukrativer als die aufwändige konservative Wundbehandlung. Eine angemessene Vergütung der internistischen Arbeit sei daher Voraussetzung, damit die Abteilungen überhaupt kostendeckend und im Sinne der Patienten arbeiten können.
„Wenn jetzt dieser Entwicklung nicht gegengesteuert wird, kommt es in absehbarer Zeit zu schwerwiegenden Einschränkungen in der Patientenversorgung“, unterstreichen die Experten von DGIM, DDG und DGE. Über sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden schon heute an Diabetes – Tendenz steigend. Bis 2030 wird ein Drittel der Bevölkerung 65 Jahre oder älter sein. Viele von ihnen sind dann multimorbide – sprich an mehreren Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz erkrankt. „Gerade diese Patienten mit mehreren komplexen Erkrankungen brauchen eine interdisziplinäre Betreuung durch mehrere Spezialisten. Professionelle Betreuung kann Stoffwechselentgleisungen, Organschäden und andere schwerwiegende Folgeerkrankungen verhindern, so dass aufwändige und besonders teure Behandlungen gar nicht erst nötig sind“, meinen die Vertreter der Fachgesellschaften.
Um Patienten mit chronischen Erkrankungen auch zukünftig die bestmögliche Versorgung bieten zu können, fordern die Gesellschaften, internistische Fachabteilungen mit endokrinologisch-diabetologischem Schwerpunkt zu erhalten und die Leistungen der sprechenden und konservativen Medizin endlich angemessen zu vergüten.