Etwa 5,6 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland sind laut Bundesarbeitsministerium im Schichtdienst tätig. Schichtarbeit erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes, wie mehrere Beobachtungsstudien zeigen. Durch Verschiebung des Schlaf-Wach-Rhythmus kann es zu Störungen im Glukosestoffwechsel kommen. Darauf weist die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hin. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der Zunahme von Erkrankungen an Typ-2-Diabetes hierzulande müssen neben Präventionsmaßnahmen auch Perspektiven entwickelt werden, wie Menschen trotz chronischer Erkrankung weiterhin und bei guter Lebensqualität am Berufsleben teilnehmen können, heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung. Außerdem sei ein Anstieg von Arbeitskräften aus anderen Kulturkreisen mit einer noch höheren Diabetesprävalenz zu erwarten.
In ihren jüngsten Recherchen kommt die Arbeitsgemeinschaft „Diabetes und Migranten“ der DDG zu dem Ergebnis, dass die Zusammenhänge „Diabetes – Arbeitswelt – Migration“ in Deutschland wissenschaftlich noch nicht systematisch aufgegriffen wurden und es einer Ausarbeitung von entsprechenden Lösungsvorschlägen und Behandlungskonzepten bedarf.
Bei Schichtarbeit kann es im Vergleich zu normalen Arbeitszeiten sowohl beim Menschen als auch im Mausmodell durch die Verschiebung des Schlaf-Wach-Rhythmus zu Störungen im Glukosestoffwechsel kommen. Eine Metaanalyse der Huazhong University of Science and Technology im chinesischen Wuhan fasste die Ergebnisse von zwölf internationalen Beobachtungsstudien mit mehr als 226.000 Teilnehmern zusammen – knapp 15.000 hatten Diabetes mellitus. Bei Männern stieg das Diabetesrisiko durch Schichtarbeit um bis zu 37 Prozent. Laut Metaanalyse ergab sich das höchste Risiko bei rotierenden Schichtmodellen, in denen die Arbeitnehmer häufig zwischen Früh-, Spät- und Nachschicht wechselten. Diese hatten ein um 42 Prozent erhöhtes Diabetesrisiko.
Forscher der Harvard School of Public Health verglichen in einer Studie Krankenschwestern, die jahrzehntelang in Wechselschichten tätig waren, mit nur tagsüber arbeitenden Schwestern. Erstere wiesen ein um 20 Prozent erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes auf. Nach knapp 20 Jahren stieg das Risiko um 40 Prozent und nach mehr als 20 Jahren sogar um 58 Prozent an.
„Wer im Schichtdienst arbeitet, muss auch zwangsläufig seine Mahlzeiten den Schichten anpassen“, betont Faize Berger, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft „Diabetes und Migranten“ der DDG. „Ständiges Verschieben von Essenszeiten wurde bereits in anderen Studien mit einem Anstieg von postprandialen Glukosewerten, Insulinspiegel und Body-Mass-Index (BMI) in Zusammenhang gebracht.“
Neben einer durch Ursachen wie Schichtdienst und verändertem Lebensstil bedingten Zunahme an Diabeteserkrankungen wird es künftig auch mehr Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund geben, die aus Kulturkreisen mit genetisch höherer Veranlagung für Diabetes stammen. „Wir müssen schon jetzt erforschen, welche Rolle der Migrationshintergrund in der Arbeitswelt spielt und wo die Prävention praktisch ansetzen kann“, erläutert Katrin Boege vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG).
Diese Aspekte diskutiert die AG in ihrem Symposium anlässlich der zehnten Herbsttagung der DDG am Samstagnachmittag, 12. November, im NCC NürnbergConvention Center in Nürnberg. Das Programm zur Diabetes Herbsttagung kann unter www.herbsttagung-ddg.de abgerufen werden. Interessierte können sich dort zudem direkt online anmelden.