Aus dem Leben eines sehbehinderten Diabetikers: Der Traum von einer sprechenden Insulinpumpe

Retinopathie
Jedes Jahr erblinden in Deutschland etwa 4.000 Diabetiker. Foto: DBSV/Andreas Friese

Am 28. Oktober 1980 veränderte sich Uwes Leben auf einen Schlag. An jenem Herbsttag wurde der damals 17-jährige junge Mann ins Krankenhaus eingeliefert. Sein Blutzucker war gegen 13 Uhr auf einen horrenden Wert von über 800 geklettert. Dementsprechend lautete die Diagnose seines behandelnden Arztes: Diabetes mellitus Typ 1. „Abends um 18 Uhr lag mein Wert bereits bei 80“, erinnert sich der Nordhesse. „Es war damals gang und gäbe, den Blutzucker radikal zu senken.“ Eine Insulinpumpe bekam der Typ-1-Diabetiker relativ schnell: „Bereits 1982 sattelte ich von der Spritze auf die Pumpe um“, erzählt er.

Heute hat der 50-Jährige mit typischen Folgeerkrankungen zu kämpfen, die der Diabetes mit sich bringen kann. Uwe leidet seit etwa 20 Jahren an der sogenannten diabetische Neuropathie, einer Nervenschädigung infolge dauerhaft erhöhter Blutzuckerwerte, sowie unter einer hochgradigen Sehbehinderung. Sein Sehvermögen bewegt sich bei gerade mal drei Prozent. „Was soll ich tun?“, beteuert der verrentete Pflegedienstleiter. „Ich kann mich ja schlecht im Keller einschließen und den Schlüssel wegwerfen. Ich muss das Beste aus meiner Situation machen.“

Immer, wenn Uwe auf junge Diabetiker trifft, gibt er ihnen mit auf den Weg, dass sie zweihundertprozentig auf ihre Blutzuckerwerte aufpassen sollen, damit es ihnen nicht so ergehe wie ihm. „Wenn ich noch einmal 17 Jahre alt wäre und mich das Diabetesmonster heimsuchte, würde ich vieles anders machen“, betont der Kasselaner, der früher extrem viel Sport getrieben hat. Eigentlich eine gute Sache – doch wenn Uwe Tischtennis spielte, stopfte er Unmengen von Würfelzucker in sich hinein, um seinen Blutzuckerspiegel auf einem gewissen Level zu halten. „Ich trat meine Stoffwechselerkrankung mit den Füßen“, resümiert er.

Trotz Erblindung und quälender Schmerzen in den Beinen, meistert Uwe seinen Alltag weitestgehend ohne fremde Unterstützung. Selbstverständlich stehen ihm seine Mutter, eine Haushalthilfe und ein kleiner, überschaubarer Freundeskreis zur Seite, wenn doch mal „Not am Mann“ ist. Seit rund 24 Monaten verfügt er über ein sprechendes Blutzuckermessgerät. „Bis dahin musste ich die Werte mit der Lupe ablesen“, erklärt der 50-Jährige. Als problematisch gestaltete sich die Suche nach einer neuen Insulinpumpe, die sich für sehbehinderte Menschen eignet. „Früher bin ich mit der blindentauglichen D-TRON gut gefahren. Leider wird diese nicht mehr hergestellt, und deren Zubehör läuft bald aus.“

Uwe musste viele Erkundigungen einziehen, um geeigneten Ersatz zu finden, da es derzeit keine speziell für blinde Diabetiker entwickelten Geräte auf dem Markt gibt. „Jetzt habe ich eine Animas-Pumpe. Dank ihres kontrastreichen Displays bin ich dazu in der Lage, die Daten mit Hilfe einer Lupe zu erkennen.“ Für die Insulinabgabe bevorzugt der Diabetiker den Easy-Bolus: Dessen Piepsignale ermöglichen es ihm, einen Überblick über die Insulineinheiten, die abgegeben werden sollen, zu behalten. Die übrigen Einstellungen, wie Basalrate, hat seine Diabetesberaterin Anneke einprogrammiert. Diese war es auch, die Uwe auf die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) gebracht hat. „Seit Anfang 2013 darf ich mich zu den CGM-Anwendern zählen“, berichtet er. „Dieses System hat meine Diabetesberaterin so eingestellt, dass es mich vor Unter- und Überzuckerungen warnt.“

Das Setzen des Katheters und Sensors stellt für den sehbehinderten Nordhessen keine Schwierigkeit dar. Die Ampullen lässt er sich in der Arztpraxis mit Insulin befüllen. „Ich habe sie auf Vorrat im Gemüsefach meines Kühlschranks gebunkert“, lacht Uwe, der mittlerweile verinnerlicht hat, dass ein Diabetesmonster gehegt und gepflegt werden will. „Ich will mein restliches Sehvermögen in Höhe von drei Prozent unbedingt halten. Auch wenn ich nur noch Handschein sehen kann, möchte ich das nicht durch schlechte Werte aufs Spiel setzen.“

Sein Traum in Sachen Diabetes-Management? „Vielleicht erobert irgendwann eine intelligente Insulinpumpe mit Sprachmodus den Markt – immerhin ist Blindheit eine der diabetischen Folgeerkrankungen schlechthin.“ Bis dahin muss Uwe seinen Diabetes mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bewältigen. Aber: bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt.

Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte können zu einer diabetischen Retinopathie führen, einer Erkrankung der Netzhaut. Foto: DBSV/Andreas Friese
Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte können zu einer diabetischen Retinopathie führen, einer Erkrankung der Netzhaut. Foto: DBSV/Andreas Friese

 

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2 comments

  1. Hallo, ich bin Iloa 59 JAHRE und Insulinpflichtig, außerdem bin ich nahezu blind ca 1% . Muss täglich 1x gespritzt werden mit Lantus und 3X Novorapid. Habe den ewigen Krieg mit Pflegediensten satt. BITTE BITTE BITTE ENTWICKELT DOCH EINE SPRECHENDE INSULINPUMPE… WÄRE DER DANKBARSTE TUCKERKRANKE DER WELT.

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