Kategorie: Alltag

Diabetes im Sommer: Hitze-Tipps von Ulrike Thurm

Diabetes im Sommer: Endlich wird es warm und die Urlaubszeit beginnt. Ulrike Thurm (Diabetesberaterin und DIASHOP Gesundheitsreferentin aus Berlin) verrät uns Diabetes-Sommer-Tipps, damit seid ihr auch auf hohe Temperaturen gut vorbereitet.

Die Hitze im vergangenen Sommer war für viele Diabetiker eine echte Herausforderung. „Wir hatten in der Praxis jeden Tag mehrere Patienten mit massiven Problemen“, berichtet Ulrike Thurm. „Häufig lag es daran, dass das Insulin im Pen oder in der Insulinpumpe zu heiß und damit unbrauchbar geworden war. Wenn dann bei der Hitze noch ein Flüssigkeitsmangel hinzukommt, kann bei insulinbehandelten Patienten der Blutzucker schnell ansteigen – bis hin zur Stoffwechselentgleisung“, erklärt Ulrike Thurm. Insulin ist ein Eiweiß, es zerfällt bei Temperaturen über 40°C. Im Sommer erreichen wir schon im Schatten oft mehr als 30°C. Wenn das Insulin dann in der Sonne nicht geschützt wird, kann es durch die Hitze schnell unbrauchbar werden.

Insulin vor Hitze schützen

Beschädigtes Insulin ist meistens an einer Eintrübung oder Ausflockung zu erkennen. Auch Katheterverschlüsse bei Insulinpumpen können durch eine Insulinausflockung verursacht werden.

Im Sommer, vor allem wenn es richtig heiß ist, sollte das Insulin nie ohne Kühlung transportiert werden – egal, ob ihr es von der Apotheke nach Hause oder im Insulinpen bzw. in der Insulinpumpe mit euch tragt. Dafür eignet sich z. B. eine Thermoskanne, wenn  ihr das Insulin vor Hitze und Stürzen sichern wollt. Es lohnt sich auch, eine entsprechende Tasche für Diabetesbedarf mit Kühlfunktion anzuschaffen, die man lange verwenden kann.

Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Manche Taschen haben ein Kühlelement, das in eine isolierende Folientasche gelegt wird. Lange kühlt so ein Element allerdings nicht. Ulrike Thurm empfehlt ihren Patienten Frio-Taschen, weil es nichts Vergleichbares gibt. Sie halten Insulin ohne Strom und Batterien bis zu 45 Stunden kühl. Verschiedene Größen werden angeboten: für Insulinpens und Insulinpumpen bis hin zum Großformat, in das der Urlaubsvorrat Insulin passt.

Generell darf man Insulinpens, Blutzuckermessgeräte, Teststreifen und weiteren Diabetesbedarf allerdings im Sommer niemals im Auto liegen lassen – auch nicht in einer Frio-Tasche.

Insulinpumpenträgern empfiehlt Ulrike zudem, möglichst kurze Schlauchlängen zu verwenden und den Schlauch immer unter der Kleidung zu tragen, das Insulin in der Pumpe bei diesen Temperaturen nicht länger als 2-4 Tage verwenden, das Reservoir bei geringem Insulinverbrauch nicht voll aufzuziehen. Wer von euch bei diesen Temperaturen über mehrere Stunden in der prallen Sonne arbeiten muss, der sollte auch seine Insulinpumpe schützen (hier findet ihr spezielle Frio Taschen für Insulinpumpen). Pods der Patch-Pumpen und FGM-/CGM-Sensoren sollten abgedeckt, also unter dem T-Shirt getragen und/oder mit einem Tape geschützt werden.

Bei Sensoren kann starke Sonneneinstrahlung zu fehlerhaften Messungen oder einem kompletten Systemausfall führen. Ein weiteres Problem im Sommer, das Insulinpumpenträger und FGM-/CGM-Anwender haben: Infusionssets und Sensoren lösen sich vorzeitig durch Schwitzen.

Hier haben wir euch Praxistipps zu Hautschutz und Fixierung zum Download bereitgestellt:

Praxistipps zum Thema Hautschutz und Fixierung

Vorsicht, Ketoazidose-Gefahr!

Dass man bei heißen Temperaturen viel trinken sollte, versteht sich von selbst. Dazu kommt: Bei hohen Blutzuckerwerten (> 180 mg/dl oder 10 mmol/l) verliert der Körper mehr Flüssigkeit. Vor allem bei heißen Temperaturen sollten Typ-1-Diabetiker noch mehr als sonst ein Auge auf den Blutzucker bzw. die Glukosewerte haben und  am besten ein Gerät mitnehmen, mit dem Blutketonwerte gemessen werden können (beim Lesegerät des FreeStyle Libre ist eines eingebaut).

Ab einem Wert von 240 mg/dl (13.3 mmol/l) empfiehlt sich vor allem für Insulinpumpenträger ein Ketontest. Erhöhte Blutzuckerwerte (> 0,6 mmol/l) in Verbindung mit einem positiven Ketontest müssen Ernst genommen werden! Wichtig ist es dann, sich körperlich nicht anzustrengen und Ruhe zu bewahren. Wer sich nicht sicher ist, wie die Behandlung einer Ketoazidose durchgeführt wird, sollte einen Termin mit dem Diabetesteam vereinbaren.

Weitere Hitze-Tipps

Temperaturschutzkappe InsulinpenEs gibt Temperaturschutzkappen für Insulinpens: VIVI Cap1 etwa ist eine wiederverwendbare Kühlkappe für Insulinpens, die die Originalkappe des Pens ersetzt. Passend für FlexTouch, aber auch erhältlich für: FlexPen, KwikPen, SoloStar. Hier mehr dazu: VIVI Cap1.

BoleroAus Bolero-Getränkepulver, kann man sich ein kalorien- und zuckerfreies Eis herstellen. Einfach wie gewohnt mit Wasser anrühren, in Eisförmchen füllen und einfrieren. Weitere Ideen hier: Bolero, mehr als ein Getränkepulver… 24 Beutel gibt es im Mix-Pack für 9,90 €: Bolero Drink Mix

82466_Aquapac_Beutel_1Für den Spaß im Wasser und am Strand: Diabetesbedarf wie der PDM des Omnipod, die Insulinpumpe oder das Lesegerät des FreeStyle Libre kann in den Aquapac-Taschen verstaut werden. Etwa in diesem Beutel (3 Liter Füllvolumen) kostet 17,00 €. 100 % wasserdicht! 85957_Aquapac_Insulinpumpe_1

Weiterhin gibt es für die Insulinpumpe auch die Aquapac Tasche mit Kabelführung. Kabel und Schläuche (der Insulinpumpe) bis 2,5 mm können aus dem Aquapac herausgeführt werden, ohne das Wasser in die Tasche eindringen kann. Der Gürtel ist verstellbar und mit einem Schnappverschluss ausgestattet.

Sportlerkuchen

Mit Energie in den Tag: Sportlerkuchen (ohne Mehl und Zucker)

Nichts geht über diesen Sportlerkuchen! Erst Kaffee, dann Sport, dann Früüühstück :). Nach meinem morgendlichen Sportprogramm freue ich mich immer auf mein Frühstück. Ich bereite es gerne frisch und selbst zu, dann weiß ich genau, was drin steckt, kann es besser berechnen und erlebe somit im Nachgang keine böse Blutzuckerüberraschung. Außerdem vertrage ich nicht alle Lebensmittel, so ist damit auch sichergestellt, dass mir das Essen gut bekommt. Natürlich schaffe ich es nicht jeden morgen, mich stundenlang in die Küche zu stellen. Deswegen ist auch ein bisschen Meal Prep nötig, insbesondere dann, wenn ich viel unterwegs bin.
 
Eines meiner liebsten Frühstücks-Rezepte ist dieser Sportlerkuchen. Er basiert auf Haferflocken, Bananen und selbstgemachten Apfelmus. Mit den Zutaten habe ich viel variiert. Statt Proteinpulver kann man beispielsweise auch Kakao verwenden. Statt Fibersirup sollte auch anderer Sirup oder Honig seinen Zweck erfüllen. Ich persönlich bevorzuge Fibersirup, da er ganz ohne Zuckerzusatz ist. Er beinhaltet Isomalt-Oligosaccharid: ein pflanzlicher Ballaststoff, der aus Stärke gewonnen wird.
 
Im Kühlschrank hält sich der Sportlerkuchen locker ein paar Tage frisch. Spätestens dann ist der eh aufgenascht. Nun bin ich gespannt, wie euch der Kuchen schmeckt. Verratet uns das gerne in den Kommentaren. Wir sind auch ganz Ohr auf eure Abwandlungen des Rezepts.

Rezept: Sportlerkuchen

 
Zutaten:
 
  • 300 Gramm Haferflocken
  • 5 reife Bananen
  • 350 Gramm ungesüßter Apfelmus
  • 2 Teelöffel Zimt
  • 4 EL Proteinpulver (Schoko oder Vanille) oder 1-2 Esslöffel Kakao
  • 2 Teelöffel Fibersirup
  • eine Prise Salz
 
Zubereitung:
 
  1. Backofen auf 180 Grad Umluft vorheizen.
  2. Die Haferflocken in der Küchenmaschine zu Mehl verarbeiten.
  3. Aus den Bananen Mus herstellen (ich mag es lieber etwas stückig und zerdrücke die Bananen nur mit der Gabel).
  4. Haferflocken und Bananen mit allen weiteren Zutaten vermengen und zu einem Teig verkneten.
  5. In eine Silikonform (oder gefettete Kastenform) geben.
  6. Bei 180 Grad Umluft (auf mittlerer Schiene etwa 50 Minuten backen.
  7. Kuchen auskühlen lassen und genießen.

Schmeckt auch sehr lecker mit Nussmus-Aufstrich. Der Sportlerkuchen sollte im Kühlschrank gelagert werden.

Guten Hunger!

Schwerbehindertenausweis

Schwerbehindertenausweis mit Diabetes – Ja oder Nein?

Menschen mit Diabetes können einen Schwerbehindertenausweis beantragen, der besondere Rechte im Beruf und im Privatleben mit sich bringt. Als schwerbehindert gilt, wer mindestens einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 erreicht. Dann erhält man einen entsprechenden Ausweis, mit dem man „Nachteilsausgleiche“ in Anspruch nehmen kann. Einen solchen Ausweis zu erhalten, ist in den vergangenen Jahren allerdings immer schwieriger geworden. „Die Diabeteserkrankung mit Insulintherapie allein reicht inzwischen nur noch selten aus“, erklärt Rechtsanwalt Oliver Ebert aus Stuttgart, der sich auf dieses Thema spezialisiert hat.

Die Voraussetzung dafür ist nicht nur ein erheblicher Therapieaufwand (mindestens vier Insulininjektionen pro Tag mit selbstständiger Dosisanpassung auf Basis der selbst gemessenen Blutzucker- bzw. Glukosewerte). Wer einen Schwerbehindertenausweis aufgrund des Diabetes erhalten will, muss zudem gravierende Einschränkungen mit massiven Beeinträchtigungen im Alltag nachweisen. Einfacher wird es, wenn zur Diabeteserkrankung noch weitere (Folge-) Erkrankungen kommen, z. B. eine Neuropathie oder Erkrankungen des Herzens, der Augen oder der Bandscheibe. Über die Gesamtbewertung kann dann ein Grad der Behinderung von 50 erreicht werden.

Was bringt ein Schwerbehindertenausweis?

Wer einen Schwerbehindertenausweis besitzt, kann eine Reihe sogenannter „Nachteilsausgleiche“ in Anspruch nehmen. Dazu gehört unter anderem ein besonderer Kündigungsschutz. Man erhält fünf Tage bezahlten Sonderurlaub im Jahr zusätzlich und kann bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres ohne Abzüge in Rente gehen. Außerdem ergeben sich Steuervorteile in Form von erhöhten Steuerfreibeträgen. Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr und bei Eintrittspreisen sind weitere Vorteile des Schwerbehindertenausweises. Wer sich um einen neuen Job bewirbt, muss die Schwerbehinderung in der Bewerbung und im Vorstellungsgespräch übrigens nicht angeben. Früher oder später erfährt der Arbeitgeber aber ohnehin davon, spätestens, wenn man den zustehenden Sonderurlaub beantragt.

Auch für Kinder Kinder mit Diabetes erhalten in der Regel problemlos einen Schwerbehindertenausweis, bis zum 16. Lebensjahr wird bei ihnen zusätzlich ein „H“ für Hilflosigkeit eingetragen. Dies ist unter anderem mit einem erhöhten Steuerfreibetrag (zurzeit 3700.– Euro) für die Eltern verbunden.

Allerdings sollten sich Eltern gut überlegen, einen solchen Ausweis für ihr Kind zu beantragen, meint Rechtsanwalt Oliver Ebert. Denn ist die Schwerbehinderung erst einmal anerkannt, kann sie nicht einfach wieder „zurückgegeben“ werden. Was dies im Laufe des Lebens bedeuten wird, kann man in jüngeren Jahren noch gar nicht abschätzen.

Weitere Informationen zu diesem Thema findet ihr unter: www.diabetes-und-recht.de

DDG-Kongress

DDG-Kongress 2019: Diabetes – Nicht nur eine Typ-Frage

Vom 29. Mai – 1. Juni 2019 fand im CityCube Berlin unter dem Motto Diabetes – Nicht nur eine Typ-Frage der DDG-Kongress für Fachbesucher statt. Wir waren vor Ort und haben uns mal für euch umgesehen und umgehört…

Es gab wie immer viel zu entdecken, zum Beispiel…

… im Eingangsbereich ein riesiges Pankreas:Mega Pankreas Bauchspeicheldrüse

… diesen Pen Assist für den sicheren Griff von Insulinpens, der voraussichtlich ab September erhältlich sein wird und für Diabetiker mit koordinativen Problemen in den Händen oder Sehschwäche sicher hilfreich ist: 

Pen Assist

Was treibt die Pharma/Medizintechnik?

Die bekannten Pharmaunternehmen und Medizintechnik-Hersteller wie Medtronic, Roche Diabetes Care, Insulet Corporation, SOOIL, Ypsomed, Lilly… waren alle vertreten und standen Rede und Antwort. Hierzu geben wir aus Erfahrung immer wieder gerne folgenden Tipp: Geht gezielt mit euren Fragen auf die Hersteller zu, die ihr euch im Vorfeld gut überlegt und notiert habt. Ansonsten verrennt man sich schnell ;).

DiaBorg

Eigentlich hatten fast alle der genannten Hersteller und darüber hinaus auch ein paar News zu verkünden. So hat hat SOOIL die AnyDANA App für die DANA Insulinpumpe optimiert, hatte poppige Sticker im Gepäck ;). Ja, ein bisschen Farbe und Pepp motivieren uns doch auch alle gleich ein bisschen in Sachen Diabetesmanagement.

Die Medtronic 670G und Roches Accu-Chek Solo Patch-Pumpe konnte man sich vor Ort zeigen lassen, leider sind sie aber noch nicht in Deutschland erhältlich. Wir warten (un)geduldig ;)), genau wie auf OmniPod Dash von Insulet Corp. Oft überzeugen oder enttäuschen Diabetes-Hilfsmittel und Co. ja doch erst, wenn man sie live gesehen, in den Händen gehalten oder gar mal ausgetestet hat. So fällt die Entscheidung oft leichter.

Von Abbott erfuhren wir noch, dass zeitnah mit einer neuer Pflaster-Rezeptur fürs Libre 2 zu rechnen sei (Kontaktallergiker wird das sehr freuen) und das Libre 2 nun zur Regelleistung der Kassen und rtCGM-Systemen gleichgestellt wird.

Kommerzielle Loop-Systeme

Geheimniskrämerei gab es auf dem Kongress und gibt es weiterhin um offizielle, kommerzielle Hybrid-Closed-Loop-Lösungen wie Tidepool und Diabeloop DBLG1 mit Insulinpumpen wie t:slim X2, Kaleido und OmniPod. Auch Medtronic gab noch kein offizielles Datum für die MiniMed 670G bekannt, an dem sie in Deutschland erhältlich ist. Es wird sehr viel spekuliert, auch über nicht weniger spannende (ganz im Gegenteil ;)) bihormonelle Closed-Loop-Systeme wie etwa beta bionics iLet, das neben Insulin auch Glukagon verabreicht.

Vermutlich wird man zum EASD im September in Barcelona noch mehr erfahren. Das hoffen wir zumindest. Es bleibt spannend und wir halten euch auf dem Laufenden. 

Was war sonst noch los auf dem DDG-Kongress?

Am DIASHOP-Stand gab es Vorträge zum Thema Hautschutz, Fixierung und DIY-Loopen, die sehr gut besucht waren. 

DIASHOP Stand

Hier findet ihr unsere Loop-Artikelreihe: Hybrid-Closed-Loop-Systeme, Marke Eigenbau. Hilfreiche Praxistipps zum Thema Hautschutz und Fixierung haben wir hier bereitgestellt: Hautschutz und Fixierung

Neben dem DIASHOP-Stand konnte man sich dann direkt eine wohlverdiente Nackenmassage gönnen und das neu erworbene Wissen erstmal sacken lassen ;). Damit war man wieder fit für weitere spannende Vorträge und Workshops in den Vortragsräumen. Eine Vielzahl könnt ihr hier in der Mediathek hören: DDG Mediathek

Für alle die nicht teilnehmen konnten, eine gute Gelegenheit, up to date zu bleiben. Die Themen sind vielfältig und für Typ 1er, 2er, 3er, 4er… gleichermaßen spannend. Ob Ernährung, Digitalisierung, Sport, Politik, Apps, Loopen, neue Technologien… Hört unbedingt mal rein.

Auffällig viele Diskussionen unter Fachpersonal und Betroffenen fanden wie auf jedem Kongress statt, etwa bei Kaffee und Kuchen oder kühlen Getränken draußen in der Sonne. Oft macht dieser Austausch solche Veranstaltungen noch wertvoller und wichtiger. Die Diabetes-Community ist großartig! Teil des Programms war auch wieder der Diabetes-Lauf, ob man nun zum Spaß oder ehrgeizig mit neuer Bestzeit teilnahm, hauptsache dabei…

Diabetes Lauf

Fazit: Es gab viel zu entdecken, spannende Diskussionen, abwechslungsreiche Themen, Neues zu verkünden und zu erfahren, viele Spekulationen und Spaß inklusive auf dem DDG-Kongress in Berlin.  

Hybrid-Closed-Loop- Systeme, Marke Eigenbau, Teil 4: Selbsttest AndroidAPS

Es geht weiter mit Teil 4 unserer „Hybrid-Closed-Loop, Marke Eigenbau“-Artikelreihe. Lest dazu zunächst auch:

Heute berichtet Steff (diabetes-leben.com) über ihre eigenen Erfahrungen mit DIY-Loopen. Seit einem halben Jahr testet sie selbst AndroidAPS und seit einiger Zeit auch Loop mit OmniPod (<- dazu im nächsten Teil unserer Artikelserie mehr).

Ein wichtiger Hinweis vorweg: Closed-Loop-Systeme, sprich vollautomatische Systeme, die wie eine künstliche Bauchspeicheldrüse funktionieren, sind in Deutschland noch nicht offiziell für Diabetiker zugänglich, wenn auch bereits sehr weit in der Entwicklung. Hybrid-Closed-Loop-Systeme der Marke Eigenbau entstehen in Eigenverantwortung technisch versierter Diabetiker! Alles geschieht auf eigene Verantwortung. Auch Ärzte dürfen einen nicht zum Verwenden eines solchen Systems raten. Man nutzt die Insulinpumpe beim DIY-Loopen anders als vom Hersteller vorgesehen. Deshalb kann man bei einem Systemversagen nicht den Pumpen- oder CGM-Hersteller zur Verantwortung ziehen. Dieses Haftungsproblem solltet ihr sehr ernst nehmen.

Selbsttest AndroidAPS

Ich (Steff) habe nun seit über 22 Jahren Diabetes Typ 1 und habe seit jeher eigentlich nichts an neuen möglichen und offiziellen Diabetes-Therapiemaßnahmen ausgelassen. Aktuell teste ich nun die „inoffiziellen“ DIY-Loop-Systeme Android APS neben LOOP mit OmniPod. Heute berichte ich zunächst über meine persönlichen (!!!) Erfahrungen mit AndroidAPS, da ich dieses System bereits länger und ausgiebiger getestet habe:

Warum habe ich mich fürs DIY-Loopen entschieden?

Im Großen und Ganzen war ich zwar mit meiner bisherigen Diabetes-Einstellung zufrieden, dennoch gab es zwei Knackpunkte, bei denen ich mir durch den Einsatz eines DIY-Closed-Loop-Systems Verbesserung erhoffte. Zum einen hatte ich nachts zwischen 2 und 5 Uhr häufig mit Blutzuckerspitzen zu kämpfen. Die Betonung liegt hierbei auf „häufig“, da eine Regelmäßigkeit nicht vorhanden war. Ein weiteres Problem bei mir sind starke Blutzuckeranstiege nach dem Sport, insbesondere nach anaeroben Trainingseinheiten.

Installation und Einrichtung

Die Installation und Einrichtung gestaltete sich dank detaillierter und verständlicher Dokumentation in deutscher Sprache recht einfach: Der gesamte Prozess vom ersten Download bis zum ersten Aufruf der Bedienoberfläche dauerte knapp ca. eineinhalb Stunden. Ein gewisses technisches Grundverständnis wird aber vorausgesetzt.

„Open Loop“-Modus

Eine Besonderheit von AndroidAPS sind die Zielvorgaben: In einer Art Tutorial muss der Anwender über mehrere Wochen hinweg Ziele erfüllen, um Funktionen freizuschalten. In den ersten Tagen lief AndroidAPS aus diesem Grund im „Open Loop“-Modus. Das heißt, dass die App lediglich Therapie-Empfehlungen gibt, der Anwender sie aber selbstständig ausführen muss. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass man sich mit der App auskennt, bevor man ihr seine Gesundheit anvertraut.

Bedienoberfläche und Möglichkeiten

Die Bedienoberfläche von AndroidAPS ist zwar nicht besonders schön, aber zweckmäßig. Nach kurzer Einarbeitung findet man sich gut zurecht. In der Hauptansicht werden standardmäßig wichtige Daten wie der Blutzuckerverlauf oder die abgegebene Insulinmenge grafisch und als Text dargestellt. Gut ist, dass man immer sieht, was der Loop im Augenblick tut, also um wie viel Prozent die abgegebene Insulinmenge verändert wurde und für wie lange. Manuelle Eingriffe wie die Bolusabgabe bei Mahlzeiten oder die Eingabe eines temporären Blutzuckerziels beim Sport gehen schnell von der Hand.

Und wie wirkt sich der Loop auf meine Blutzuckerwerte aus?

Seit ich loope verbringe ich fast jede Nacht mit Blutzuckerwerten im Zielbereich, mehr muss ich dazu wohl nicht sagen ;). Hier hat der Loop alle Erwartungen erfüllt. In ruhigen Nächten läuft die Basalrate mit wenigen Anpassungen durch, in „Spitzen“-Nächten reguliert der Loop ordentlich dagegen und das mit Erfolg. Vorbei sind die Zeiten, in denen ich nachts mit katastrophalen Werten aufgewacht bin und mich mühsam runtergespritzt habe. Meine Blutzuckerspitzen nach dem Sport sind leider nach wie vor vorhanden, auch wenn Sie dank Loop nun deutlich harmloser ausfallen und weniger manuelle Eingriffe erfordern. Hier bin ich noch am Tüfteln und der Loop bietet einem dafür allerlei Stellschrauben.

Die Vorteile des Loops liegen auf der Hand und lassen sich kurz zusammenfassen: Mehr Werte im Zielbereich bei weniger manuellen Eingriffen. Neben den handfesten Fakten in Form besserer Werte ist auch das neue Gefühl von Sicherheit ein wichtiger Aspekt. Ist der Loop erst mal richtig eingestellt und hat man ein gewisses Grundvertrauen aufgebaut, muss man sich vor massiven Entgleisungen, egal in welche Richtung, nicht mehr fürchten. Dennoch muss man sich auch im Klaren darüber sein, dass ein Loop nicht gleichbedeutend mit einem Diabetes-Autopiloten ist. Einfach anschalten und laufen lassen führt in den seltensten Fällen zum Ziel.

Würdest du lieber ein offizielles System nutzen?

Oft werde ich gefragt, ob ich keine Bedenken und Sorge habe, ein System zu nutzen, das offiziell so nicht zugelassen ist… Mir ist bewusst, dass die Verantwortung derzeit vollständig bei mir bzw. den „Loopern“ liegt. Hersteller können nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn ihre Hardware anders genutzt wird als von ihnen vorgesehen ist. Mediziner dürfen den Einsatz der Systeme weder empfehlen noch unterstützen. Krankenkassen leisten zwar bei offiziell zugelassenen Systemen und Geräten Unterstützung, werden sich bei Unfällen mit Selbstmach-Systemen jedoch ebenfalls tunlichst heraushalten.

Dennoch loope ich, weil mir meine Gesundheit am Herzen liegt, meine Blutzuckerwerte deutlich besser sind als vorher, mir der Loop im Alltag ein Stück weit mehr Sicherheit gibt, in dem er eben automatisch Insulin abgibt oder rausnimmt, wenn meine Blutzuckerwerte sich erhöhen oder absinken. Wenn so ein Automatismus bereits möglich ist, warum sollte ich ihn nicht nutzen, wenn es mir so viel mehr Lebensqualität schenkt? Das es keine Unterstützung durch Hersteller und Ärzte gibt, fällt nicht so schwer ins Gewicht: Bei Problemen, Fragen oder Anregungen hat die erfahrene Loop-Community ein offenes Ohr, hilft und unterstützt rund um die Uhr. Es ist ein Geben und Nehmen ohne finanzielles Interesse.

Pharmaunternehmen arbeiten bereits mit Entwicklern aus der DIY-Community zusammen…

Ich bin dennoch sehr gespannt, wie sich Akzeptanz und rechtliche Stellung von „Looping“ auch hierzulande verändern wird, wie schnell sich kommerzielle Closed-Loop-Systeme verbreiten und wie sie Diabetes-Management vereinfachen — und uns bei unserem 24-Stunden-Job unterstützen.

Positiv hervorzuheben ist, dass viele Medizintechnik-Unternehmen Entwickler aus der DIY-Community mit einbeziehen. Auf diese Weise fließen die mit den Open-Source-Lösungen gesammelten Erfahrungen in die Entwicklung offizieller Systeme ein. Die Frage ist, ob diese die gleichen Möglichkeiten bieten wie aktuelle DIY-Lösungen. Durch strenge Richtlinien zur Zulassung neuer Therapie-Hilfsmittel ist zu befürchten, dass die Algorithmen der kommerziellen Lösungen weniger individuell anpassbar arbeiten. Zwar sind strenge Richtlinien grundsätzlich nicht verkehrt und für Haftung und Qualitätssicherung wichtig, doch stehen sie dem technischen Fortschritt und den damit verbundenen Möglichkeiten der Diabetiker leider noch im Weg.