Eigentlich war es ein ganz normaler Tag für Alex und seine Familie – davon abgesehen, dass beim fünfeinhalbjährigen Jungen die obligatorische U9-Vorsorgeuntersuchung anstand. Problemlos meisterte er den U-Check: Allerdings sorgten die leicht erhöhten Blutzuckerwerte sowohl beim Arzt als auch seiner Mutter für Besorgnis. „Das hat mir keine Ruhe gelassen“, erklärt Alexanders Mutter Viktoria. „Als Altenpflegerin kenne ich mich ganz gut mit Diabetes aus, und habe, um auf Nummer sicher zu gehen, ein paar Tage später noch einmal den Blutzucker meines Sohnes kontrolliert.“ Das Ergebnis des Nüchternwertes? 190.
Im Krankenhaus fällten die Mediziner die Diagnose: Alex leidet unter Diabetes mellitus Typ 1, sein HbA1c-Wert lag bei 8,9 Prozent. Viktoria fand sich – dank ihres Berufes – relativ schnell in Sachen intensivierte Insulintherapie zurecht. Bereits vier Wochen nach der Manifestierung des Diabetes bekam ihr Sohn seine erste Insulinpumpe. „Ich möchte die Pumpe nicht missen“, bekräftigt Alexanders Mama. „Sie bietet wahnsinnig viele Vorteile und gestaltet den Alltag relativ flexibel.“
Apropos Flexibilität: Probleme kamen auf, als der junge Mann wieder seinen Kindergarten besuchen wollte. Wer sollte fortan die Insulinpumpe bedienen, die Mahlzeiten berechnen sowie im Fall einer Unterzuckerung erste Hilfe leisten? „Da mein Mann sich die Woche über auf Montage befindet und ich in der Altenpflege arbeite, suchten wir gemeinsam mit unserer Diabetesberaterin nach einer Lösung, um Alex eine bestmögliche (medizinische) Versorgung im Kindergarten gewährleisten zu können“, erläutert die Dorndorferin. „Uns war es wichtig, dass er schnell wieder zu seinen gewohnten Lebensformen – zur Normalität – zurückfindet und der Kontakt mit seinen Spielgefährten nicht abreißt.“
Es mutete wie eine Odyssee an, bis die verzweifelten Eltern vor Kurzem einen Pflegedienst fanden, der sich dazu bereit erklärte, morgens und mittags die Insulinpumpe des kleinen Diabetikers zu bedienen. „Auf dem Sozialamt, wo wir Rat suchten, meinte man lapidar: ‚Dann hängen Sie doch im Einkaufsmarkt einen Zettel aus, dass sie für bestimmte Zeiten am Tag jemanden suchen, der ihrem Kind bei der Pumpenbedienung hilft.‘ Das war für uns alle unfassbar“, empört sich Viktoria.
Schließlich schaltete sich unsere Diabetesberaterin Anneke ein. Unentgeltlich schulte sie in ihrer Freizeit die Kindergärtnerinnen auf Diabetes mellitus Typ 1, Pumpentherapie und Hypos, die sich in Zusammenarbeit mit dem Pflegedienst dazu bereit erklärten, Sorge für den kleinen Alex zu tragen. „Das finde ich ganz toll vom Kindergarten ‚Lindenzwerge‘ in Dorndorf, da es nicht selbstverständlich ist, weil der Kindergarten laut Gesetz nicht dazu verpflichtet ist“, unterstreicht Viktoria. Parallel zu den Betreuern, wies Anneke das Pflegedienstpersonal in die Geheimnisse der Pumpentherapie und in die Handhabung des technischen Gerätes ein. „Ich bin Anneke sehr dankbar, dass sie dem Pflegedienst und dem Kindergarten die Angst vor der Insulinpumpentherapie genommen hat“, betont Alex‘ Mama.
Hintergrund für diese Hemmschwelle des Pflegedienstes sei, dass die Mitarbeiter hauptsächlich über Kenntnisse über Diabetes mellitus Typ 2 verfügten, und nicht wüssten, dass das Insulin auf die Mahlzeiten abgestimmt werden müsse. Also legt Viktoria jeden Morgen der Frühstücksbüchse ihres Sohnes eine Notiz bei, worauf sie die entsprechenden Broteinheiten verzeichnet hat. Zudem holt sie jeden Tag Erkundigungen bei den „Lindenzwergen“ ein, welche Speisen zum Mittagessen gereicht werden, und schreibt auch dafür die BE auf. „Dies ist unumgänglich, weil die BE-Berechnung nicht von den Krankenkassen getragen wird, sondern nur das Messen des Blutzuckers, das entsprechende Eingeben in die Pumpe sowie die Insulinabgabe.“ Gerade mal sechs Minuten hat der Pflegedienst pro Besuch im Kindergarten Zeit – auch das ist gesetzlich geregelt.
Momentan ist Viktoria noch im Kindergarten vor Ort, wenn der Pflegedienst vorfährt. „Da ich berufstätig bin, ist das sicherlich eine Belastung, aber ich fühle mich einfach beruhigter, da das Ganze ja für den Pflegedienst noch absolutes Neuland ist.“ Mit gemischten Gefühlen blickt die Thüringerin in die Zukunft: „Wir haben zwar jetzt ein Lösung gefunden, aber wenn Alex im kommenden Jahr eingeschult wird, geht das ganze Theater erneut los.“ Als besonders bedauerlich empfinde sie, dass die Problematik weitestgehend bekannt sei und Eltern mit dieser häufig allein gelassen werden.
Wenn auch Ihr „Zuckersüßen“ von ähnlichen Erfahrungen rund ums Thema „Probleme mit Diabetes-Typ-1 bei Kindern“ berichten könnte, dann schreibt uns doch an info@diabetiker.info!