Das mitunter wichtigste Feature der Insulinpumpe ist für mich die temporäre Basalrate. Mit der temporären Basalrate kann ich meinen Alltag viel flexibler gestalten als ich das vorher mit Pens, der Basis-Bolus-Therapie konnte. Ich liebe diese Flexibilität. Für Stoffwechselgesunde mag es normal sein, dass man aus dem Moment heraus Sport macht, wenn man gerade Lust drauf hat, oder dann etwas isst, wenn man gerade Hunger hat. Für uns Typ-1-Diabetiker ist es das allerdings nicht. Wir müssen uns nach unseren Blutzuckerwerten richten.
„Ich muss erst etwas essen, bevor wir Essen gehen.“
Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich noch mit Pens hantierte: „Urlaubsfreunde“ holten uns ab, wir wollten gemeinsam etwas Essen gehen. An der Tür stand ich ihnen kauend gegenüber und konnte mir den Spruch nicht verkneifen: „Ich muss erst etwas essen, bevor wir Essen gehen.“ Sie schauten mich verdutzt an. Auf dem Weg zum Restaurant, den wir mit einem längeren Spaziergang verbanden, erklärte ich ihnen die Lage, informierte sie über den Diabetes, und darüber was passiert wäre, wenn ich vorher nichts gegessen hätte.
Diabetes planen, zumindest so gut es eben möglich ist: ICT- versus CSII-Therapie
Heute treten solche Situationen nur noch selten auf. Ich kann den Diabetes viel besser planen, da ich mit der temporären Basalrate meiner Insulinpumpe die Möglichkeit habe, die Insulinabgabe aus dem Moment heraus zu stoppen, herabzusenken oder zu erhöhen. Ja, das ist tatsächlich Luxus für uns Diabetiker!
In der Insulinpumpe verwenden wir Diabetiker nur ein schnellwirksames Insulin, keine zwei Insuline, wie das etwa bei der ICT-(Pen-/Basis-Bolus-)Therapie der Fall ist. Natürlich muss ich auch bedenken, dass die Wirkung des Insulins damit nicht sofort stoppt, aber eben in absehbarer Zeit (wie schnell ist vom Insulin abhängig: Fiasp wirkt beispielsweise kürzer und schneller als Humalog). Damit kann ich Unterzuckerungen/Hypos vermeiden.
Das ist besonders im Sport interessant. Mit der Insulinpumpe ist es mir möglich die Insulin-Basalrate 1-2 Stunden vor als auch während des Sports herabzusenken, so dass nur wenig Insulin aktiv ist/wirkt. Damit vermeide ich Unterzuckerungen.
Mit dem Pen wird hingegen ein Basalinsulin (langwirksames Insulin) für 12 oder 24 Stunden „im Voraus“ gespritzt. Es ist dann im Körper und kann nicht wieder „herausgenommen“ werden. Da hilft für den Sport und bei Unterzuckerung nur eines: zusätzliche Kohlenhydrate essen. Das ist auch der Grund, warum ich in besagter Urlaubssituation erst etwas essen musste, bevor wir Essen gehen konnten. Heute dank Insulinpumpe und CGMS kommen solche Situationen viel seltener vor. Ich nutze die temporäre Basalrate tatsächlich täglich….
Beispiel-Situationen, in denen ich die temporäre Basalrate meiner Insulinpumpe scharf schalte…
(Bitte bedenkt, dass sind meine persönlichen Einstellungen der temporären Basalrate, keine Therapieempfehlungen für euch).
- Sport: je nach Blutzuckerwert wird etwa eine Stunde vor dem Sport die Basalrate gestoppt. Je nach Sportart und Dauer um etwa 70 Prozent während des Sports herabgesenkt.
- Adrenalin/Extremsport/sportliche Wettkämpfe: (je nach Blutzuckerwert und Sportart erhöhe ich die temporäre Basalrate meistens zunächst vorsichtig auf 110 Prozent und gebe bei Bedarf etwas Bolus dazu.
- Krankheit: je nach Blutzuckerwert und Art der Krankheit erhöhe ich die temporäre Basalrate meistens auf 150 Prozent.
- Stress: je nach Blutzuckerwert erhöhe ich die temporäre Basalrate meistens auf 120 Prozent-
- Kinobesuch oder dann wenn ich über einen längeren Zeitraum versetzt, viel und auch mal unüberlegt essen möchte: Temporäre Basalrate erhöhe ich je nach Art und Menge des Essens unterschiedlich. Neben der temporären Basalrate nutze ich allerdings aber auch den Pizza-Bolus, auf den ich hier schon mal näher eingegangen bin.
In welchen Situationen nutzt ihr die temporäre Basalrate, oder kommt sie bei euch gar nicht so oft zum Einsatz?
Ich mache es ähnlich wie Steff. Habe 5 Basalprofile gespeichert und manchmal senke ich auch nur temporär. Für Krankheiten, also Infekt in der Regel geht’s auf 125 % hoch. Ansonsten je nach Sport deutlich runter. Heute z.B. 90 km mit recht wenigen Höhenmetern geradelt. Den ganzen Tag mit -50% gut gelaufen. Jetzt noch auf -30%eingestellt wg Muskelauffülleffekt. Bleibt so bis morgen früh.
Hi Rainer, erst mal Respekt für die 90 Kilometer. Wir sollten mal zusammen fahren . Wäre mal interessant zu erfahren, wie sich unsere BZ-Werte bei gleicher tBr verhalten, oder ? Musst du zwischendurch auch Kohlenhydrate nachfüllen ohne Bolus zu spritzen? Oder wie handhabst du das bei längeren Touren?