Uni gut, Abschluss gut. Ich atme kurz auf. Was folgt, gleicht einem Marathonlauf: Bewerbungsstress – ein Praktikum jagt das nächste. Doch ich habe mein Ziel fest vor Augen, eine Ausbildung zur Redakteurin zu absolvieren. Eigentlich bin ich ein lebenslustiger, offener, aber auch ehrgeiziger Mensch. „Manchmal etwas zu hundertprozentig“, bringen es mein Freund und meine Eltern auf den Punkt. Ich plane gerne mein Leben, obwohl ich weiß, dass es nicht immer planbar ist.
Sommer 2008: Die Diagnose „Diabetes mellitus Typ 1“ macht meinem ausgeprägten Planungsdrang einen gehörigen Strich durch die Rechnung. „Was nun? Wie geht es mit mir weiter?“, frage ich mich. Der Schock sitzt tief. Panik übermannt mich. Ängstlich blicke ich in die Zukunft: Nichts, aber auch gar nichts, erscheint mir mehr planbar zu sein…
„Du musst alles auf dich zukommen lassen und lernen, mit der Diagnose umzugehen“, rät mir meine Diabetesberaterin. Was sich mir jetzt offenbart, ist für mich absolutes Neuland. Begriffe wie Broteinheiten, HbA1c-Wert, Hypoglykämie und Hyperglykämie geistern durch meinen Kopf. Den notwendigen Insulininjektionen stelle ich mich tapfer – vor Spritzen war mir noch nie bange! Das Blutzuckermessgerät wird zu meinem ständigen Begleiter. Ein kleiner Tropfen Schweiß auf der Stirn? Ich muss messen! Anfangs entwickle ich eine regelrechte Phobie vor Unterzuckerungen. Gehe ungerne alleine aus dem Haus, halte mich auf Feierlichkeiten dezent im Hintergrund. Doch irgendwann kehren mein Optimismus und mein „prägnantes Lachen“ zurück. Mir wird bewusst, dass ich mit Diabetes leben kann – schließlich muss er es ja auch mit mir aushalten.
Das tägliche Spritzen, das Berechnen von Mahlzeiten und der Griff zum Blutzuckermessgerät erfolgen quasi automatisch. Mittlerweile hat sich mein großer Lebenstraum erfüllt: Ich bin Redakteurin, stürze mich voller Elan in die Arbeit, knüpfe neue Kontakte und spiele mit der Sprache. Horizonte erweitern sich. Einzige Krux: Die nächtlichen Unterzuckerungen, die mir neuerdings den Schlaf rauben. In mir entflammt eine regelrechte Abneigung gegen Gummibärchen, Traubenzucker und Co. Meine Basalinsulinsorten wechseln: aus Protaphane wird Levemir, abgelöst von Lantus.
Abhilfe verspricht eine Insulinpumpe. Erfolgreich boxen mein Arzt und meine Diabetesberaterin den entsprechenden Antrag bei meiner Krankenkasse durch. Was nun kommt – die Eingewöhnungsphase sei an dieser Stelle außen vor gelassen – ist der Himmel auf Erden. Die „Hypos“ zur Geisterstunde verschwinden. Entzückt „spiele“ ich mit der temporären Basalrate. Fasziniert wähle ich zwischen normalem, verlängertem und dualem Bolus. Fachsimple mit meiner Diabetesberaterin über die Vorteile von Kathetern mit Teflonkanüle im Vergleich zu denen mit Stahlkanüle. Erliege dem Zauber von Fachkatalogen. Freue mich wie ein Kind darüber, dass ich mir per Knopfdruck „eine Portion“ Insulin verabreichen kann und das lästige Spritzen von Langzeitinsulin entfallen ist – der Basalrate sei Dank. Zugegeben, es ist nicht alles Gold, was glänzt: Meine erste Ketoazidose kratzt schon ein wenig an meiner Euphorie…
Und sicherlich ist jeder Mensch ein „Gewohnheitstier“: Inzwischen betrachte ich die Pumpe als Standard. Ich habe mich an sie gewöhnt und nutze sie mehrmals täglich, ohne über ihre Existenz nachzudenken. Wobei – vor wenigen Tagen habe ich sie meinem Freund gegenüber doch mal wieder hoch angepriesen: Und zwar, als ich mir mitten im Markttreiben eine Bratwurst mit Brötchen gönnte. Plötzlich war alles so praktisch: Pumpe unter der Kleidung hervorgeholt, programmiert – ab ging das Insulin. Und niemand hat es gemerkt. Spritzen war doch eindeutig komplizierter und auffälliger, oder?
Interessanter Erfahrungsbericht – macht Mut, bei Bedarf um die Pumpe zu kämpfen. (-: