Das ist mal eine positive Nachricht für alle Zuckersüßen: Laut Aussage der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) können gut geschulte und gut eingestellte Diabetiker sowohl Autos als auch Lastkraftwagen über 3,5 Tonnen oder Personentransportfahrzeuge sicher lenken. Voraussetzung für die Fahreignung – dies besagt die neue Begutachtungsleitlinie, die vor Kurzem erschienen ist – sei eine zuverlässige, rechtzeitige Wahrnehmung von Unterzuckerungen sowie eine stabile Stoffwechsellage. Wenn ein Diabetiker allerdings innerhalb eines Jahres mehr als ein Mal eine so schwere „Hypo“ erleidet, dass fremde Hilfe erforderlich ist, darf er sich zunächst nicht mehr hinter das Steuer setzen. „Die neue Regelung ist ebenso vernünftig wie praxisnah und daher zu begrüßen“, erklärt Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).
Hintergrund: Die Begutachtungsleitlinien der BASt fixieren Vorgaben für zahlreiche Krankheiten, die ärztliche Gutachter berücksichtigen müssen, wenn sie die Fahreignung der Betroffenen bewerten sollen. Die Leitlinien werden fortlaufend aktualisiert, was zuletzt am 1. Mai umfassend geschah. „Dabei wurden die Kriterien für Diabetes im Straßenverkehr komplett überarbeitet“, erklärt Rechtsanwalt Oliver Ebert, Vorsitzender des Ausschusses Soziales der DDG. Das Gremium habe bei der Neufassung eng mit der BASt zusammengearbeitet und konnte so sicherstellen, dass sowohl die diabetologisch-fachliche Erfahrung wie auch die Interessen der Betroffenen hinreichend berücksichtigt worden seien.
Dabei differenziert die Richtlinie zwischen Therapien mit einem niedrigen und einem hohem Risiko für schwere Unterzuckerungen. Zu den Therapieformen mit niedrigem Hypoglykämierisiko zählen Ernährungsumstellung und Bewegung, Biduanide, Resorptionshemmer, Insulinsensitizer, DPP-4-Hemmer und GLP 1 Analoga. „Mit einem höheren Hypoglykämierisiko verbunden sind dagegen Sulfonylharnstoffe, ihre Analoga und Insulin“, erläutert Dr. Hermann Finck, der für den Ausschuss Soziales maßgeblich an der Neufassung mitgewirkt hat.
So gilt etwa für Diabetiker, die einem niedrigen Hypoglykämierisiko unterliegen und ein Fahrzeug der Klasse 1 fahren möchten: Sofern ihr Stoffwechsel stabil ist und keine Folgeschäden vorliegen, können sie ohne Einschränkung Auto oder Motorrad fahren. „Im Fall einer Therapie mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen ist Pkw- oder Motorradfahren nach medikamentöser Einstellung durch den Arzt und einer Schulung möglich“, betont Dr. Siegel, der zudem empfiehlt, vor jedem Fahrtantritt den Blutzucker zu messen.
Für das Steuern von Fahrzeugen der Klasse 2, wie Lkw, Taxis oder Omnibusse, gelten strengere Anforderungen: Zunächst muss der Patient nachweisen, dass er seinen Stoffwechsel in den zurückliegenden drei Monaten stabil halten konnte. „Behandelt er seine Erkrankung mit Diät oder Bewegung, sollte er sich von einem Facharzt für Innere Medizin oder von einem Diabetologen begutachten lassen“, bekräftigt der DDG-Präsident. „Nimmt der Betroffene Medikamente mit niedrigem Hypoglykämierisiko ein, sind regelmäßige ärztliche Kontrollen sowie eine Nachbegutachtung durch einen Facharzt für Innere Medizin oder Diabetologen vorgeschrieben.“
Bei einer Therapie mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin sehen die Richtlinien neben ärztlichen Kontrollen eine fachärztliche Begutachtung alle drei Jahre vor. „Dabei ist auch die Fahrzeugnutzung zu berücksichtigen“, gibt Dr. Hermann Finck zu bedenken. „Termindruck, Arbeitszeiten oder etwa das Fahren nur auf dem Betriebsgelände beeinflussen das Gefährdungspotenzial.“ Hierin liege ein wesentlicher Unterschied zur vorherigen, alten Richtlinie, da diese insulinpflichtige Diabetiker „als in der Regel nicht in der Lage“ einstufte, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 gerecht zu werden.
Neben „Hypos“ gehören aber auch Folgeschäden des Diabetes zu den Faktoren, die eine Fahreignung einschränken können. „Erkrankungen der Augen, Nieren, Nerven oder Gefäße erfordern ein gesondertes verkehrsmedizinisches Gutachten“, unterstreicht Rechtsanwalt Oliver Ebert. Bei einer Netzhauterkrankung, einer Retinopathie, müsse beispielsweise das Sehvermögen regelmäßig überprüft werden.