Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern am Helmholtz Zentrum München hat den Stoffwechsel von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes nach der Entbindung unter die Lupe genommen. Zusammen mit Partnern der Technischen Universität München und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) konnten sie aufzeigen, dass eine Stilldauer von mehr als drei Monaten zu langfristigen Veränderungen des Stoffwechsels führt. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin „Diabetologia“ nachzulesen.
Vier Prozent aller schwangeren Frauen in Deutschland entwickeln vor der Geburt einen Schwangerschaftsdiabetes. Obwohl sich ihr Blutzuckerspiegel nach der Entbindung zunächst wieder normalisiert, erkrankt jede zweite Betroffene innerhalb der nächsten zehn Jahre an einem Typ-2-Diabetes. Mittlerweile ist zwar bekannt, dass Stillen dieses Risiko um 40 Prozent senken kann, warum das so ist, ist aber noch unverstanden.
In einer früheren Untersuchung hatten Forscher um Professor Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung (IDF) am Helmholtz Zentrum München, bereits dargelegt, dass sich ab einer Stilldauer von drei Monaten ein Schutzeffekt einstellt, der bis zu 15 Jahre nach einem Schwangerschaftsdiabetes anhalten kann. In einer aktuellen Studie beleuchteten sie nun, ob der Stoffwechsel dafür verantwortlich sein könnte.
Für ihre Analysen untersuchte das Wissenschaftlerteam knapp zweihundert Patientinnen, die einen Schwangerschaftsdiabetes entwickelt hatten. Die Studienteilnehmerinnen nahmen dabei eine standardisierte Zuckerlösung zu sich und gaben zuvor nüchtern und im Testverlauf eine Blutprobe ab. Diese verglichen die Wissenschaftler hinsichtlich 156 verschiedener, bekannter Stoffwechselprodukte. Die Entbindung lag zu diesem Zeitpunkt im Schnitt dreieinhalb Jahre zurück.
„Wir konnten beobachten, dass sich die Stoffwechselprodukte der Frauen, die länger als drei Monate gestillt hatten, deutlich von jenen unterschieden, die kürzere Stillzeiten hatten“, berichtet Erstautorin Dr. Daniela Much vom IDF. „Das längere Stillen ist mit einer veränderten Produktion von Phospholipiden und verringerten Konzentrationen von verzweigtkettigen Aminosäuren im Blutplasma der Mütter verbunden.“ Dies sei auch insofern interessant, weil die betroffenen Stoffwechselprodukte schon in früheren Studien mit Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht wurden.
„Die Ergebnisse unserer Studie liefern Hinweise auf krankheitsrelevante Stoffwechselpfade, die durch den Stillvorgang beeinflusst werden und somit dem Schutzeffekt zu Grunde liegen könnten“, erläutert Dr. Sandra Hummel, die die Arbeitsgruppe Gestationsdiabetes am IDF führt und die Studie leitete. Somit stelle Stillen eine kostengünstige Interventionsmaßnahme dar, langfristig das Risiko für Typ-2-Diabetes bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes zu senken.
Künftig wollen die Wissenschaftler erörtern, wie man die Erkenntnisse in konkrete Handlungsempfehlungen umsetzen kann. „Frauen mit Gestationsdiabetes stillen durchschnittlich seltener und kürzer im Vergleich zu nicht-diabetischen Müttern“, meint Dr. Sandra Hummel. „Das Ziel ist nun, Strategien zu entwickeln, die langfristig das Stillverhalten – insbesondere von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes – verbessern.“
(Original-Publikation: Much, D. et al. (2016). Lactation is Associated with Altered Metabolomic Signatures in Women with Gestational Diabetes, Diabetologia, DOI: 10.1007/s00125-016-4055-8.)