Bereits in der vergangenen Woche erzählte ich Euch von meinen Erfahrungen mit dem Diabetesmanagement in Stresssituationen. Doch Wir gehen noch einen Schritt weiter und absolvieren gemeinsam eine Nachtschicht, verbinden so physischen mit psychischem Stress – eine Extrembelastung für Körper, Geist und Diabetes.
Die Ausgangslage:
Mit der Abgabe der Master-Arbeit endet heute um 12 Uhr Ortszeit (ich hänge neun Stunden hinter der deutschen Zeit) offiziell mein Master-Studium. Statt einer klassischen schriftlichen Arbeit mit zehntausenden Wörtern muss ich einen tiefgründigen journalistischen Beitrag abgeben. Unendlich viele Stunden an Interviews, Meetings, Internetrecherchen, Fotoshootings und Datenanalysen während der letzten vier Monate liegen hinter mir. Jetzt muss das Ganze nur noch zusammengeführt und in eine ansprechende Form gebracht werden. Nur noch… Wie immer wartete ich bis zur letzten Sekunde und musste nun zur Strafe die ein oder andere Nachtschicht einlegen. Aber wie verhält sich dabei eigentlich der Diabetes?
Die Rahmenbedingungen:
- Beginn der Mission: Sonntag, 04. Juni 2017, 8.37 Uhr (Ortszeit)
- Zeit bis zur Abgabe: 3 Tage, 3 Stunden, 23 Minuten
- Teilmissionen:
- 1500-Wort Artikel
- zehnminütiges Video
- Missionsfortschritt: 0,00 Prozent
Die Tagesschicht:
Ereignislos. Viele von Uns haben schon mal einen ganzen Tag an etwas gearbeitet, egal ob für die Schule, Uni oder den Beruf. Man sollte beim eifrigen Arbeiten das Essen nicht vergessen. Sowohl „Pumper“ als auch „Penner“ sollten am Vormittag zumindest eine kleine Mahlzeit einnehmen, um neben der Basalrate oder dem Basalinsulin auch einen Bolus im Körper zu haben. Ohne diesen wird bei den meisten Menschen der Blutzucker sonst im Laufe des Vormittags langsam ansteigen.
Die Nachtschicht:
- Beginn: Sonntag, 04. Juni 2017, 22 Uhr (Ortszeit)
- Zeit bis zur Abgabe: 2 Tage, 14 Stunden, 0 Minuten
- Missionsfortschritt: ≈ 15,00 Prozent
Und los geht’s! Abendessen gab es gegen 21 Uhr, insgesamt etwa 10 BE, abgedeckt mit dem normalen Faktor. Von einem leicht erhöhten Wert (150 mg/dl) nach dem Essen stabilisiert sich der Blutzucker langsam (um 120 mg/dl). Gegen Mitternacht beginnt er plötzlich abzufallen, ohne dass ich etwas gegessen oder gespritzt habe (84 mg/dl). Verdammt! Da verträumte ich doch glatt, meine nächtliche Basalrate abzusenken. Aufgrund der – wenn auch nur minimalen – Bewegung verbraucht der Körper mehr Energie, als während des Schlafens. Egal, schnell ein Glas Fruchtsaft und eine kurze Pause, um die Konzentration wiederherzustellen. Inzwischen ist es 3 Uhr nachts. Der Blutzucker hat sich bei etwa 110 mg/dl eingepegelt. Zeit für eine Zwischenmahlzeit. Ein Schokoriegel, ein paar Kekse, ein Becher Milch – sechs BE, abgedeckt mit dem normalen Faktor. Noch sieben Stunden bis zum Unterrichtsbeginn. Weiter im Takt. Der Blutzucker spielt mit. Die Anpassung der nächtlichen Basalrate scheint zu wirken. Seit letzter Woche wissen Wir auch, dass psychischer Stress in der Regel keine Auswirkungen auf den Blutzucker hat. Dann ist es geschafft. Zeit fürs Frühstück!
- Ende: Montag, 05. Juni 2017, 9 Uhr (Ortszeit)
- Zeit bis zur Abgabe: 2 Tage, 3 Stunden, 0 Minuten
- Missionsfortschritt: ≈ 35,00 Prozent
- Erschöpfungsgrad: ≈ 200,00 Prozent
Es ist sicher nicht ratsam, ständig eine Nachtschicht einzulegen. Mit der Zeit gewöhnt sich der Körper und auch Euer Diabetes daran. Von einem geregelten Schlafrhythmus oder einer gleichmäßigen Diabetestherapie kann dann keine Rede mehr sein. Wenn es sich aber doch einmal nicht vermeiden lässt, achtet besonders bei einer Therapie ohne kontinuierliches Glukose-Monitoring (CGM oder FGM) auf häufiges Blutzuckermessen. Um die Konzentration nicht zu gefährden, bewegt Euch lieber an der oberen als an der unteren Grenze Eures jeweiligen Zielkorridors.
In diesem Sinne – „frohes Schaffen“ an all diejenigen unter Euch, denen eine (un-)geplante Nachtschicht bevorsteht.
Bis bald, Euer Felix!
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