Leider ein Fakt: In Deutschland werden zu viele Füße in Folge einer Diabeteserkrankung amputiert. Um die Amputationszahlen zu senken, fordert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ein obligatorisches Zweitmeinungsverfahren vor einem solchen Eingriff. Zugleich seien andere Vergütungsstrukturen notwendig, bei der die Qualität der Versorgungsstrukturen für Diabetiker im Mittelpunkt stehe, wie Experten auf der Jahrespressekonferenz der DDG erklärten. Für den Erhalt der Extremitäten müsse es einen Bonus geben, da eine solche Behandlung mit längeren Liegezeiten und damit mehr Aufwand als bei einer Amputation verbunden sei.
Etwa 50.000 Füße werden jährlich in Deutschland als Folge einer Diabeteserkrankung amputiert – alle 15 Minuten verliert ein Mensch eine Extremität. „Diese Zahl ist, auch im internationalen Vergleich, viel zu hoch“, warnt Professor Dr. med. Ralf Lobmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der DDG. Die Häufigkeit sei vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen. „Zum einen kommen viele Patienten mit schlecht heilenden chronischen Fußwunden zu spät in spezialisierte Zentren, oft erst nach zwölf Wochen und später.“ In den Zentren könnten interdisziplinäre Expertenteams aus Diabetologen, Gefäßchirurgen, Orthopäden, Podologen und Schuhmachern eine große Bandbreite an Therapien und Maßnahmen ausschöpfen, um eine Amputation zu vermeiden.
Zahlen würden dies belegen: „Während die Rate von Majoramputationen, also Abtrennungen des Fußes oberhalb des Knöchels, in spezialisierten Zentren bei 3,1 Prozent liegt, beläuft sich die Quote in der Allgemeinversorgung auf zehn bis zwanzig Prozent“, erläutert Professor Lobmann. Eine Majoramputation zu vermeiden, sei jedoch oberstes Gebot bei der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Denn das Ausmaß der Extremitäten-Entfernung habe Auswirkungen auf die Lebenserwartung – nur ein Viertel der Patienten überlebe nach einer Majoramputation fünf Jahre, bei der Abtrennung von Fußteilen unterhalb des Knöchels („Minoramputation“) seien es dagegen 80 Prozent. „Daher fordern wir vor einer Amputation das obligatorische Einholen einer qualifizierten Zweitmeinung“, betont der DDG-Experte. „Ähnliche Regelungen gibt es etwa auch in Holland, wo Diabetespatienten mit schlecht heilenden Wunden, die länger als fünf Wochen bestehen, in spezialisierten Zentren behandelt werden müssen.“
Eine weitere Ursache für die hohe Amputationsrate in der Bundesrepublik liegt nach Ansicht der Fachgesellschaft im derzeitigen Vergütungssystem begründet. „Hier bestehen finanzielle Fehlanreize, die wir beseitigen möchten“, sagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Präsident der DDG. Eine Amputation sei vergleichsweise auskömmlich finanziert. Doch Behandlungen, die dem Erhalt der Extremität dienen, seien häufig langwierig und mit Klinikaufenthalten von bis zu 40 Tagen verbunden. „Dieser Aufwand bildet sich in der Vergütung bisher nicht ab“, kritisiert Professor Gallwitz. „Wir schlagen daher einen Bonus für die Rettung des Fußes vor.“
Das diabetologische Fußsyndrom ist eine der häufigen Folgen einer Diabetes-Erkrankung – jedes Jahr erkranken etwa 250.000 Patienten daran. Es ist der häufigste Grund für eine Amputation. „Der Umgang mit dem diabetologischen Fußsyndrom in unserem Gesundheitswesen ist symptomatisch für die Finanzierung der gesamten Diabetologie“, meint Professor Lobmann. „Sie betreibt im Umgang mit häufig multimorbiden Patienten einen hohen Aufwand, ist aber nur unangemessen finanziert.“
Die DDG setzt sich seit Jahren dafür ein, die Versorgungsstrukturen für Menschen mit Diabetes zu verbessern. Das gilt auch für die Patienten mit einem diabetologischen Fußsyndrom. Dessen erste Anzeichen sind Taubheitsgefühle, Kribbeln, Brennen und Stechen, das an den Zehen beginnt. Betroffene, die vor einer Amputation stehen, können sich an Spezialzentren wenden, die von der DDG zertifiziert worden sind. Aktuell zählen dazu 201 ambulante und 78 stationäre Einrichtungen, gelistet unter http://www.ag-fuss-ddg.de.