Presseberichten zufolge lehnt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Zuckersteuer für „vermeintlich ungesunde“ Lebensmittel ab. „Diese Formulierung überrascht uns“, kritisiert Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Schließlich ist es unstrittig, dass heute viele Produkte, wie Softdrinks, hohe Mengen an Zucker enthalten und damit der Gesundheit abträglich sind.“
Der Geschäftsführer der DDG, Dr. Dietrich Garlichs, ergänzt: „Das Ernährungsministerium stellt sich mit dieser Äußerung gegen die gerade kürzlich wiederholte Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO, den Zuckerkonsum deutlich zu senken. Diese Position des Ministeriums wirft die Frage auf: Wessen Interessen vertritt das Ernährungsministerium?“
In der internationalen Diskussion sei es unstrittig, dass eine Reduzierung des zu hohen Konsums von Zucker – aber auch Fett und Salz – dringend erforderlich ist. Neben Rauchen, Alkoholkonsum und körperlicher Inaktivität stelle die heutige Ernährung eine der Hauptursachen für die nichtübertragbaren Krankheiten, wie Diabetes, Herzkreislauferkrankungen, Krebs und Atemwegskrankheiten, dar. Wirksam könne man diesem Tsunami der chronischen Krankheiten nur mit bevölkerungsweiten Präventionsmaßnahmen begegnen.
Zu diesen Maßnahmen gehöre eine Steuer auf Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett-, und Salzanteil, während gleichzeitig gesunde Lebensmittel steuerlich entlastet werden sollten. Zusätzlich sollte eine tägliche Stunde Sport in Kita und Schulen eingeführt werden, ebenso wie verbindliche Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kita und Schulen sowie ein Verbot von Kinderlebensmittelwerbung, unterstreicht die DDG.
Wie die DDG betont, haben bereits Länder wie Ungarn, Finnland, Frankreich und Mexiko differenzierte Lebensmittelsteuern eingeführt. Selbst die nach kurzer Zeit in Dänemark aus koalitionspolitischen Gründen wieder abgeschaffte Fettsteuer senkte den Konsum stark fetthaltiger Produkte um zehn bis 20 Prozent.
Wie erfolgreich Preissignale sein können, hätten auch die Erfahrungen mit den Tabaksteuererhöhungen in Deutschland gezeigt. Erst durch sie konnte der Anteil der rauchenden Jugendlichen in den vergangenen zehn Jahren halbiert werden. Zudem seien Alkopops nach der Einführung einer entsprechenden Steuer praktisch vom Markt verschwunden.